FAQs Arbeitszeitrechnung

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Foto des Buches "Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung" der GIK

Warum sind Arbeitszertifikate kein Geld?

Ein wichtiger Unterschied zwischen Arbeitszertifikaten und Geld, der sich aus ihrem verschiedenen sozialen Inhalt ergibt, ist, dass Zertifikate nicht zirkulieren: sie werden bei Einlösung vernichtet, denn sie haben damit ihren Zweck erfüllt. Marx hat Arbeitszertifikate einmal mit Eintrittskarten für das Theater verglichen, die am Eingang entwertet werden. Geld dagegen kann vom Warenverkäufer z.B. zum Kauf von Produktionsmitteln und Arbeitskräften wiederverwendet werden. Das Geld versteckt im Lohn vor allem die Ausbeutung, da der unbezahlte Teil der Mehrarbeit als Profit und Rente angeeignet wird, während die Arbeitszertifikate das Verhältnis der eigenen Arbeit an der Gesamtarbeit sichtbar machen.

Aber im Kapitalismus kann doch alles zu Geld werden, sogar eine Theatermarke.

Ja, solange der Kapitalismus existiert, ist das tatsächlich so: Hier stellt sich das Geld immer wieder her, weil es für den Tausch der individuellen Produzenten notwendig ist. Es kann die Form von Gold, Silber oder Papier annehmen. In einer genossenschaftlichen Wirtschaft auf der Basis vergesellschafteter Produktionsmittel ist dies aber nicht der Fall: In einer solchen Gesellschaft verwandeln sich Arbeitszertifikate nicht in Geld, weil kein Warentausch stattfindet. Abschaffung des Geldes setzt also Vergesellschaftung der Produktionsmittel voraus.

Ihr wollt, dass jede Stunde Arbeit, egal ob von dem Chirurgen oder der Reinigungskraft verausgabt, gleich vergütet wird. Das ist ungerecht.

Wir können nicht erkennen, was daran ungerecht sein soll, dass angesehene (z. B. akademische) Berufe, die nicht selten sogar eine Art von Erfüllung, Horizonterweiterung oder Freude bereiten, anderen Berufen, die weniger populär sind, gleichgestellt werden. Außerdem würden durch diese Gleichstellung auch die Beziehungen der Menschen solidarischer werden. Heutzutage werden etwa Migranten*innen oder Frauen durch unterschiedlich hohe Löhne oftmals diskriminiert. Gleiches gilt auch für den Unterschied von geistiger und körperlicher Arbeit, wie z.B. zwischen Ingenieurs- und Fließbandarbeit. Aber letztlich verausgaben doch alle Menschen in einer Arbeitsstunde Arbeitskraft, wenn auch in sehr vielfältigen Formen. Dem wollen wir mit dem Prinzip eine Stunde = eine Stunde Rechnung tragen. Nicht nur Missgunst und Bevorzugung würden dadurch verhindert werden, sondern auch der Beitrag der eigenen Arbeit zur Gesamtarbeit wäre damit gleichwertig, was die eigene Arbeit durchaus auch sinnvoller erscheinen ließe. Innerhalb der Kooperation der Arbeitenden im Betrieb gäbe es dann keine künstlichen Trennungslinien mehr.

Aber wer will dann noch studieren, wenn er\*sie dann später nicht mehr verdient?

Dieses Argument gilt nicht in einer Gesellschaft, in der die Kosten des Studiums von der Gesellschaft getragen werden. Ausschlaggebend für die Wahl eines Studienfaches wird dann allein das eigene Interesse sein, nicht mehr die Karriereaussichten.

Und wer will dann noch die dreckigen Arbeiten machen, wenn angenehmere Arbeiten gleich vergütet werden? Das führt doch zu Arbeitskräftemangel in diesen unpopulären Bereichen.

Man könnte genau umgekehrt argumentieren, dass unpopuläre Berufe, die momentan sehr schlecht entlohnt werden und nur durch Druck vom Arbeitsamt besetzt werden können, durch den Grundsatz „eine Stunde ist eine Stunde“ aufgewertet würden.

Davon abgesehen wird die Gesellschaft darauf drängen, unpopuläre Arbeiten mehr als bisher durch Maschinen zu ersetzen. Während diese Rationalisierung im Kapitalismus zu Arbeitsplatzwegfall und Arbeitslosigkeit führt, hat sie in der planmäßigen Arbeitszeitökonomie positive Auswirkungen, nämlich die Ersparnis von Zeit und Mühe.

Ihr klingt wie Arbeitsfetischisten. Wollt ihr Arbeits- und Leistungszwang?

Es gibt nun einmal Arbeiten, die verrichtet werden müssen, damit sich eine Gesellschaft auf einem bestimmten kulturellen und technologischen Niveau erhalten kann. Das ist eine sachliche Gegebenheit. Und die Frage ist, wer soll die Arbeiten verrichten? Eine gleichmäßige Verteilung der gesellschaftlich notwendigen Arbeiten auf alle Arbeitsfähigen würde den Arbeitsaufwand für alle erst einmal auch reduzieren, zumal viele unnötige Arbeiten, die nur im Kapitalismus „sinnvoll“ sind (Werbung, Finanzdienstleistungen etc.) wegfallen würden. Außerdem gäbe es endlich ein sinnvolles Motiv für den Einsatz von Technologien. Nicht mehr die Kostenersparnis (Rentabilität) einer Maschine wäre ausschlaggebend für ihre Anwendung, sondern die tatsächliche Arbeitsersparnis und -erleichterung.

Allerdings würden immer noch viele notwendigen Arbeiten anfallen. Andere würden neu hinzukommen: Bedenken wir nur, wie viel Umweltreparaturarbeit, wie viel bisher unsichtbare, meist nur von Frauen geleistete Sorgearbeit auf die Gesellschaft zukommen wird! Wäre es nicht nur fair diese gleichmäßig auf alle zu verteilen? Durch die Arbeitszertifikate wird in erster Linie der Anteil der eigenen Arbeit und des eigenen Konsums an der Gesamtarbeit ermittelt. Es geht nicht um Arbeitszwang, sondern vielmehr um eine gesamtwirtschaftliche Regulierung, denn durch die Arbeitszertifikate als Maßeinheiten würden auch starke wirtschaftliche Schwankungen zwischen Knappheit und Überfluss bestimmter Güter, wie sie im Kapitalismus ständig vorkommen, vermieden.

Letztlich sollen ja auch durch den FIK bestimmte Güter und Dienstleistungen für alle frei verfügbar sein, wodurch auf alle Fälle erst einmal alle Arbeitsunfähigen versorgt werden. Vielleicht kann eine Gesellschaft irgendwann einmal so großzügig sein, auch alle Arbeitsunwilligen zu versorgen. Aber wollen sich Menschen andererseits nicht auch gerne an der gesellschaftlichen Arbeit beteiligen, wenn ihnen ihre Arbeit sinnvoll und wichtig vorkommt und sie dabei die kooperativen Abläufe selbst bestimmen können? Grundsätzlich gilt jedenfalls: Je weniger der Aufwand für die notwendigen Arbeiten ist, umso mehr Zeit steht allen frei zur Verfügung.

Was soll denn dieser FIK sein?

Der „Faktor individueller Konsum“ (FIK) bestimmt die Größe des öffentlichen Sektors, also die Güter, die allen frei zur Verfügung stehen. Die Arbeitsstunden, welche die Menschen im öffentlichen Bereich leisten, müssen aber natürlich von der Gesamtarbeit abgezogen bzw. mit ihr verrechnet werden. D.h. der FIK verändert entsprechend seiner Höhe die Menge an ausgeteilten Arbeitszertifikaten. Beispiel: Liegt der FIK bei 0,8 erhält jede/*r für eine geleistete Stunde nur noch „0,8 Stunden“. Dafür stehen dann aber, wie gesagt, bestimmte Güter zur freien Verfügung. Welche Güter das sind, müssen die Menschen aber selbst entscheiden. Es wäre auf alle Fälle zu begrüßen, wenn jedem Menschen wenigstens der Wohnraum, die Energie- und Gesundheitsversorgung, die Aus- und Weiterbildung sowie einige Grundnahrungsmittel ohne jede Gegenleistung zugänglich wären. Darüber haben aber keine Experten oder Theoretiker zu befinden, sondern das müssen die Menschen gemeinsam aushandeln. Je produktiver eine Gesellschaft ist, umso mehr Güter und Dienstleistungen können potentiell frei zugänglich gemacht werden. Andererseits gibt es aber bestimmte Bedürfnisse, die gar nicht alle haben. Diese „privaten“ Bedürfnisse kann jede/*r für sich durch die eigens erworbenen Arbeitszertifikate befriedigen.

Was passiert mit Nischenprodukten oder Kunst? Gibt es nicht eine „Tyrannei der Mehrheit“, wenn die Gesellschaft bestimmt, welche Produkte nützlich sind und welche nicht?

Das einzige Maß für „gesellschaftlich notwendige Arbeit“ ist, ob der Plan des Betriebs erfüllt wurde. Das heißt: Es ist legitim, wenn ein Betrieb sehr arbeitsaufwendige, künstlerische oder exklusive Produkte herstellt, solange diese Produkte auch wie im Plan angegeben nachgefragt werden. Beispiel: Ein Künstlerkollektiv arbeitet ein Jahr oder 10.000 Stunden an einem Theaterstück und erwartet, 100 Eintrittskarten zum „Preis“ von je 100 Stunden abzugeben. Solange dieser Plan erfüllt wird, kann niemand auf der Basis der Arbeitszeitrechnung behaupten, dass diese Arbeit unnütze Arbeit gewesen war. Natürlich kann man immer noch behaupten, das Stück ist Schrott, aber das ist kein Argument, das aus der Arbeitszeitrechnung folgt.

Wie soll eigentlich Missbrauch verhindert werden?

Was wir vorschlagen, ist vor Missbrauch nicht gefeit. Wie alle anderen Modelle auch. Die Frage ist, welches Ausmaß, ja welchen Charakter der Missbrauch im schlimmsten Fall annehmen könnte. Von allen uns bekannten nichtautoritäten Sozialismusmodellen ist die Arbeitszeitrechnung dasjenige, das am stärksten vom worst case ausgeht. Wir setzen nicht bei einer „guten Natur des Menschen“ an, sondern bei einem objektiven Maß, der durchschnittlichen Arbeitszeit. Das ist die eigentliche Verhinderung von Missbrauch – auf der Tiefenebene.

Selbst im Kapitalismus, unter den widrigsten Arbeitsbedingungen, identifizieren die Arbeiter/*innen sich in der Regel mit ihrer Arbeit, sind ehrlich und schummeln nicht. Und falls doch, wenn sie sich etwa dem Schlendrian hingeben, handeln sie nur im eigenen Interesse, da sie so nur den Anteil ihrer unbezahlten Mehrarbeit verkleinern, nicht den Anteil ihrer vergüteten Arbeit. In der Arbeitszeitökonomie gäbe es dergleichen nicht mehr, die Arbeiter/*innen würden nicht mehr einen Teil des Arbeitstags für sich und den anderen unbezahlt für den Boss arbeiten. Würden alle mehr Stunden aufschreiben, als sie tatsächlich arbeiten, verteuerten sie letztlich nur die Produkte, die sie selbst konsumieren. Strukturell kann das also nicht in ihrem Interesse sein.

Auf individueller Ebene mag das anders aussehen: Jemand könnte z.B. mehr Stunden aufschreiben, als er tatsächlich gearbeitet hat und sich somit mehr Konsumansprüche erschleichen. Da man mit Arbeitszertifikaten aber keine Produktionsmittel und Arbeitskräfte kaufen kann, sondern nur individuelle Konsumgüter, bliebe Ausbeutung trotzdem unmöglich. Der Schummler würde nicht zum Kapitalisten, sondern, sagen wir, zum Kleinkriminellen. Die nicht mehr konsumversessene Mehrheitsgesellschaft dürfte ihn eigentlich nur bemitleiden.

Außerdem ist die öffentliche Buchhaltung ein mächtiges Kontrollinstrument: Durch sie werden nämlich auch alle wirtschaftlichen Daten der Betriebe veröffentlicht. Betriebe, die sich eine besonders hohe Zahl an Stunden erschleichen, würden sofort als besonders unproduktive Betriebe erscheinen und müssten sich vor den gesellschaftlichen Gremien dafür rechtfertigen.

Moment mal, heißt das etwa, die öffentliche Buchhaltung hat diktatorische Vollmachten?

Nein, hat sie nicht! In erster Linie laufen bei der Buchhaltung nur alle Informationen über die Arbeitszeiten der einzelnen Betriebe zusammen. Dadurch übernimmt sie natürlich eine wichtige Kontrollfunktion. Betriebsgeheimnisse, wie im Kapitalismus, kann es nicht mehr geben. Allerdings ist es richtig, dass die Gesellschaft Mechanismen finden muss, um Pläne auch abzulehnen. Anders gesagt: Pläne sind aus verschiedenen Gründen genehmigungsbedürftig (wenn z.B ein Betrieb Güter herstellt, die gar nicht gebraucht werden o.ä.). Es liegt in der Natur der Sache, dass die Plangenehmigung von der öffentlichen Buchhaltung übernommen wird.

Die öffentliche Buchhaltung ist jedoch kein Staat, sondern ein gewöhnlicher öffentlicher Betrieb wie z.B. ein Krankenhaus oder eine Schule. Sie untersteht dem Gesamtrat, also den Arbeiter*innen selbst. In unserem Modell darf oder besser kann die öffentliche Buchhaltung keine inhaltliche Prüfung der Pläne vornehmen. Einziges Kriterium für die Annahme eines Plans ist, ob der Betrieb in der Vergangenheit einigermaßen gut geplant hat. Was dieses „einigermaßen“ bedeutet und wie streng die Prüfung ist, muss demokratisch entschieden werden. Beispiel: Ein Betrieb, der noch nie einen Plan eingereicht hat und der komplett unbekannt ist, wird nur schwierig einen Plan genehmigt bekommen, in dem tausende Stunden Rohstoffe und Maschinen benötigt werden. Denn das würde Betrug oder Verschwendung ermöglichen. Es gibt also demokratisch beschlossene, für alle gleich geltende und öffentliche Regeln, wann ein Plan genehmigt wird. Die Plangenehmigung ist also keine „Geschmackssache“ oder entspringt der Laune der öffentlichen Buchhaltung. Die Öffentlichkeit sieht ja auch, was die wirtschaftlichen Daten sind, nach denen entschieden wurde. Wichtige Kontrollfunktionen könnten dann auch freie Medien übernehmen.

Aber wie regelt man das, wo und was die Menschen arbeiten sollen?

Das regeln die Menschen untereinander. Einerseits müssen vor allem sehr große Betriebe immer Auskunft darüber geben, ob sie zusätzliche Arbeitskräfte benötigen, andererseits sollte es für jede/*n möglich sein, den Arbeitsplatz sowie den Wohnort jederzeit zu wechseln. Denkbar und vielleicht auch wünschenswert wäre auch die Möglichkeit, an mehreren Arbeitsplätzen – je nach Interesse und nach Bedarf – tätig zu sein. Es spricht prinzipiell nichts dagegen, dass jemand in einer Woche zehn Stunden in diesem und zehn Stunden in jenem Betrieb arbeitet, solange es logistisch möglich ist. Außerdem sollte es immer auch die Möglichkeit für alle Menschen geben, sich nebenher ihr ganzes Leben weiterzubilden, also ihre Fähigkeiten und Kenntnisse zu erweitern.

Auf der anderen Seite wird es natürlich immer Tätigkeiten geben, die eine hohe Spezialisierung erfordern. Und es gibt sicherlich auch Menschen, die zufrieden damit sind, über einen langen Zeitraum einer einzigen Tätigkeit nachzugehen. Aber auf jeden Fall würden die lästigen Ängste, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren, wegfallen. Die Menschen könnten ihre beruflichen Entscheidungen sehr viel freier und unbefangener treffen.

Ist diese Gesellschaft nicht viel zu komplex, um alles durchzuplanen?

Eine solche Gesellschaft wäre weitaus weniger komplex als es die heutige ist. Und dennoch funktioniert auch die heutige Gesellschaft irgendwie. Sie funktioniert nicht gut, weil die Betriebe in Konkurrenz zueinander stehen und jeder am andern verdienen will, aber verschiedene Unternehmen und Betriebe treten jeweils in Kontakt miteinander, treffen Absprachen, schließen Verträge und beliefern sich, sodass in einem weltumspannenden System alles dort hinkommt, wo es gebraucht wird (zumindest, wenn das entsprechende Geld vorhanden und keine Krise ist). Innerhalb der Arbeitszeitökonomie würde die Güterverteilung noch viel effizienter werden, weil für die Existenz eines Betriebes nicht seine Zahlungsfähigkeit oder seine Rentabilität ausschlaggebend ist, sondern lediglich die Frage, ob er nützliche Dinge produziert, die auch gebraucht werden. Ist das der Fall, würden seine Pläne von der öffentlichen Buchhaltung auch genehmigt. Die einzelnen Betriebe würden also weiterhin Absprachen miteinander treffen, nur wären diese nicht mehr durch bedarfsfremde Zwecke (wie etwa Gewinnmaximierung) beschränkt – alles wäre immer noch sehr komplex, aber viel rationaler und durchsichtiger für alle Beteiligten.

Schön und gut, aber ist diese Plankontrolle nicht eine riesige bürokratische Herausforderung?

Wenn eine zentrale Verwaltungsinstanz den gesamtwirtschaftlichen Verkehr im Ganzen planen müsste, dann wäre das sicherlich eine Katastrophe, da eine zentrale Behörde über die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden der Betriebe keine zuverlässigen Informationen haben kann. Solche Missstände gab es im Staatssozialismus zuhauf. Aber der Vorteil der Arbeitszeitökonomie ist, dass die einzelnen Betriebe weitgehend selbstständig planen. Jede/*r Arbeiter*in weiß sehr wohl, wie viel Zeit eine bestimmte Tätigkeit in Anspruch nimmt und vermag diese Zeit zu messen und anzugeben. Von diesen individuellen Zeiten können Betriebe Durchschnitte ermitteln und Betriebe, die miteinander kooperieren, können wiederum einen Branchendurchschnitt errechnen. Über die öffentliche Buchhaltung werden alle Pläne zueinander ins Verhältnis gesetzt. So ergibt sich die gesamtgesellschaftliche Planung „von unten“, die auf der konkreten Informationslage und den Erfahrungen der Arbeitenden selbst beruht. Daher kann sie auf abstrakte Planvorgaben oder auf die Ansprüche irgendeines ahnungslosen Managements auch gut verzichten.

Außerdem könnte in großen Gesellschaften die Plankontrolle unter Zuhilfenahme statistischer Methoden durchgeführt werden. So könnten zum Beispiel Pläne von Betrieben, die in der Vergangenheit gut geplant haben, (halb-)automatisch genehmigt werden – nicht unähnlich der Verfahren zur Kredit- oder Versicherungsvergabe in Banken oder Versicherungskonzernen.

Das Modell, das ihr propagiert, hält doch an privater Arbeit und daher am Kapitalismus fest.

In unserem Modell erfolgt die Arbeit planmäßig, nicht privat. Dass die Betriebe weitgehend selbst planen und es keinen Staat gibt, mag vielleicht den Anschein privater Arbeit erwecken. Die vielen Pläne müssen aber genehmigt werden. Die Genehmigung eines Plans ist der Moment, in dem die Gesellschaft bestätigt, dass die geplante Arbeit auch gesellschaftliche Arbeit ist. So werden letztlich auch die Arbeitsmittel zu wirklich gesellschaftlichen; auch deswegen kann die Arbeit keine private mehr sein.

Also kann die Arbeitszeitrechnung erst in einer vollkommen vergesellschafteten Wirtschaft angewandt werden?

Nein, wir denken, dass die Arbeitszeitrechnung bereits in einer genossenschaftlichen Parallelwirtschaft als Kooperations- und Planungswerkzeug dienen kann. Die Arbeitszeitökonomie kann Arbeitszertifikate verwenden, während der kapitalistische Sektor, solange er existiert, weiterhin das Geld verwendet. Selbst wenn der kapitalistische Sektor mit den Arbeitszertifikaten spekulieren würde: Es bliebe wahr, dass man innerhalb der Arbeitszeitökonomie für ein Zertifikat von einer Arbeitsstunde ein Produkt von einer Stunde erhält, egal was der aktuelle Geldwert dieses Zertifikats ist.

Aber konkret: Was passiert, wenn kapitalistische Investoren den Arbeiter\*innen ihre Zertifikate zu hohen Preisen abkaufen?

Sollte dies tatsächlich geschehen wäre das einerseits ein Zeichen für die Überlegenheit der Arbeitszeitökonomie. Andererseits würden die Investoren die Arbeiter\*innen damit in den Genossenschaftssektor treiben, wo sie die „wertvollen“ Zertifikate erwerben können. Damit würde der kapitalistische Sektor seinen eigenen Untergang befördern.